Aktuelle Urteile 2020

Aktuelle Zahlen für 2020

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Dezember 2020

Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.12.2020

- OVG 4 B 3/20 -

 

Verwaltungsgerichte nicht zur Abänderung familien­gerichtlicher Entscheidungen über den Ver­sorgungs­ausgleich befugt

Keine Korrektur fehlerhafter Entscheidungen der Familiengerichte durch Verwaltungsgerichte

 

Verwaltungsgerichte sind nicht dazu befugt, Entscheidungen der Familiengerichte zum Ver­sorgungs­ausgleich abzuändern. Dies gilt selbst dann, wenn die familien­gerichtliche Entscheidung fehlerhaft ist. Dies hat das Ober­verwaltungs­gericht Berlin-Brandenburg entschieden.

 

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Jahr 2012 wurde vom Amtsgericht Berlin-Schöneberg eine Ehe geschieden. Zudem traf das Familiengericht Regelungen zum Versorgungsausgleich. Danach sollte unter anderem die Beamtenversorgung der Ehefrau intern ausgeglichen werden. Diese Regelung war aber fehlerhaft, da es ein internen Ausgleich der Beamtenversorgung für Berliner Beamte nicht gibt. Vielmehr muss der Ausgleich extern durchgeführt werden. Die Regelung des Familiengerichts war somit auf eine unmögliche Rechtsfolge gerichtet. Dem Ehemann war dies nach Renteneintritt jedoch egal und klagte schließlich vor dem Verwaltungsgericht auf Zahlung.

 

Verwaltungsgericht korrigiert familiengerichtliche Entscheidung über Versorgungsausgleich

Das Verwaltungsgericht Berlin entschied zu Gunsten des Klägers und korrigierte die Entscheidung des Amtsgerichts Berlin-Schöneberg dahingehend, dass der Versorgungsausgleich extern durchgeführt werden muss. Dagegen richtete sich die Berufung der Ex-Frau des Klägers.

 

Oberverwaltungsgericht verneint Befugnis zur Abänderung familiengerichtlicher Entscheidungen

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hob die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf. Die Klage sei abzuweisen. Das Verwaltungsgericht sei nicht befugt gewesen, die fehlerhafte Entscheidung des Familiengerichts zur Durchführung des Versorgungsausgleichs zu korrigieren oder abzuändern.

 

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 22.09.2020

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt a.M., ra-online (vt/rb)


November 2020

Oberlandesgericht Zweibrücken, Beschluss vom 12.11.2020

- 2 UF 139/20 -

 

Vor einem gerichtlichen Umgangsverfahren muss keine außergerichtliche Lösung mit Hilfe des Jugendamts versucht werden

Kein fehlendes Rechts­schutz­bedürfnis für Umgangsantrag

 

Vor Einleitung eines gerichtlichen Umgangsverfahrens muss nicht versucht werden, den Streit mit Hilfe des Jugendamts außergerichtlich zu lösen. Es fehlt in diesem Fall nicht das Rechts­schutz­bedürfnis für einen Umgangsantrag. Dies hat das Oberlandesgericht Zweibrücken entschieden.

 

In dem zugrunde liegenden Fall hatte das Amtsgericht Ludwigshafen im September 2020 den Umgangsantrag des Kindesvaters mit der Begründung zurückgewiesen, es fehle an einem Rechtsschutzbedürfnis für das gerichtliche Verfahren. Nach Ansicht des Gerichts hätte der Kindesvater zuvor versuchen müssen, mit Hilfe des Jugendamtes eine einvernehmliche Lösung zu finden. Der Kindesvater sah dies anders und legte daher gegen die Entscheidung Beschwerde ein.

 

Kein Erfordernis eines Lösungsversuchs mit Hilfe des Jugendamts

Das Oberlandesgericht Zweibrücken entschied zu Gunsten des Kindesvaters. Der Anspruch auf gerichtliche Klärung im Rahmen eines Umgangsverfahrens nach § 151 Nr. 2 FamFG, § 1684 Abs. 3 BGB sei nicht davon abhängig, dass der Kindesvater zuvor eine außergerichtliche Lösung unter Mithilfe des Jugendamts versucht. Die Zurückweisung des Antrags ohne weitere Sachaufklärung verstoße gegen die Im Umgangsverfahren bestehende Pflicht zur Amtsermittlung.

 

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 22.09.2020

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt a.M., ra-online (vt/rb)


Oktober 2020

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 08.07.2020

- 1 WF 102/20 -

 

Elternteil darf von gerichtlich geregeltem Umgang nicht einseitig wegen Corona-Pandemie abweichen

Freiwillige Quarantäne müssen beide Elternteile gemeinsam beschließen

 

Ein familiengerichtlich geregelter Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil darf ohne rechtfertigende Änderungs­entscheidung des Familiengerichts nicht unter Hinweis auf die Kontak­tbeschränkungen wegen der Verbreitung des Corona-Virus verweigert werden. Gegen einen Elternteil, der den Umgang gleichwohl nicht gewährt, kann ein Ordnungsgeld verhängt werden, entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG).

 

Der Umgang des gemeinsam mit der Mutter sorgeberechtigten Vaters mit dem 10-jährigen Kind der Eltern war mit Beschluss des Familiengerichts im August 2018 geregelt worden. Demnach bestand zu Gunsten des Vaters ein regelmäßiger Wochenendumgang sowie ein Ferienumgang mit dem bei der Mutter wohnenden Kind. Bei schuldhaften Zuwiderhandlungen gegen diese Regelungen konnte ein Ordnungsgeld bis zu 25.000 € angeordnet werden.

 

Mutter will Umgang des Vaters mit dem Kind wegen Corona beschränken

Im März 2020 kam es zum Konflikt zwischen den Eltern hinsichtlich des Umgangs. Ende März teilte die Mutter dem Vater mit, dass sie den direkten Umgang zwischen dem Vater und dem Kind aussetze, da im Haushalt Corona-Risikogruppen lebten. Der Vater könne mit dem Kind telefonieren und es auf dem Balkon sehen. Mit im Haus, jedoch nicht in derselben Wohnung, wohnen die Großeltern des Kindes.

 

Vater klagt gegen Beschränkung des Umgangs und bekommt Recht

Auf Antrag des Vaters setzte das zuständige Familiengericht Ende Mai wegen Zuwiderhandlung gegen die gerichtlich festgelegte Umgangsregelung ein Ordnungsgeld gegen die Mutter i. H. v. 300 € fest.

Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Mutter hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Da die Mutter dem Vater ab Mitte März 2020 bis jedenfalls Ende Mai 2020 keinen persönlichen Kontakt mit ihrem gemeinsamen Kind gewährte, liege eine Zuwiderhandlung gegen die gerichtliche Umgangsregelung vor. Die Mutter habe diese Zuwiderhandlung auch zu vertreten im Sinne von § 89 FamFG. Ohne Erfolg berufe sich die Mutter darauf, dass der gerichtlich geregelte Umgang „wegen der Kontaktbeschränkungen und der Gefahr der Verbreitung des Corona-Virus nicht habe stattfinden können,“ da sie selbst zu einer Risikogruppe gehöre und das Kind mit seinen Großeltern in einem Mehr-Generationenhaus wohne. Der umgangsverpflichtete Elternteil (hier die Mutter) ist ohne Einverständnis des umgangsberechtigten Elternteils (hier der Vater) grundsätzlich nicht befugt, entgegen einer familiengerichtlichen Regelung über die Ausgestaltung und das Stattfinden des Umgangsrechts zu disponieren. Allein der Umstand, dass sich die Mutter irrtümlich hierzu berechtigt gefühlt habe, lasse ihr Verschulden nicht entfallen.

 

Corona-Pandemie kein Grund für Ausschluss des Umgangsrechts

Grundsätzlich hätten zudem die Kontaktbeschränkungen wegen der Verbreitung des Corona-Virus zu keinem Zeitpunkt dazu geführt, dass Umgangskontakte von Elternteilen mit ihren Kindern nicht mehr stattfinden können bzw. konnten. Das Bundesministerium für Justiz habe vielmehr darauf hingewiesen, dass das Umgangsrecht aufgrund der Corona-Pandemie nicht auszuschließen sei. Die Empfehlung, soziale Kontakte möglichst zu vermeiden, beziehe sich nicht auf die Kernfamilie. Hierzu gehörten auch Eltern in verschiedenen Haushalten. „Der Umgang zwischen dem nicht betreuenden Elternteil und dem Kind gehört zum absolut notwendigen Minimum zwischenmenschlicher Kontakte und unterfällt damit einem Ausnahmetatbestand“, stellt das OLG heraus.

 

Freiwillige Quarantäne müssen beide Elternteile gemeinsam beschließen

Ohne Erfolg verweise die Mutter zudem auf eine freiwillige Quarantäne im Hinblick auf ihre eigene Vorerkrankung und das Alter der im Haus lebenden Großeltern. Die Entscheidung, das Kind ebenfalls einer freiwilligen Quarantäne zu unterstellen, hätte von den Eltern gemeinsam im Rahmen ihrer Sorgerechtsbefugnis getroffen werden müssen. Daran fehle es hier.

 

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 22.09.2020

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt a.M., ra-online (vt/rb)


September 2020

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 11.03.2019

- 4 UF 188/18 -

 

Aussperrung eines Ehegatten aus Ehewohnung begründet Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes

Wieder­einräumungs­anspruch ergibt sich aus § 1361 b BGB analog

 

Wird ein Ehegatte vom anderen Ehegatten eigenmächtig, ohne Vorliegen von Gründen aus der Ehewohnung ausgesperrt, so steht ihm ein Anspruch auf Weidereinräumung des Besitzes zu. Der Anspruch ergibt sich dabei aus einer entsprechenden Anwendung des § 1361 b BGB. Dies hat das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. entschieden.

 

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Nach einem Besuch ihrer Eltern in China von April bis September 2018 musste eine Ehefrau feststellen, dass der Ehemann ihr den Zutritt zum ehelichen Einfamilienhaus verweigerte. Das Haus stand im Alleineigentum des Ehemanns. Die Ehefrau akzeptierte die Aussperrung nicht und beantragte daher beim Amtsgericht Alsfeld, den Ehemann dazu zu verpflichten, ihr den Zutritt zum Haus zu gewähren und den Aufenthalt dort zu gestatten. Das Amtsgericht wies den Antrag zurück. Dagegen richtete sich die Beschwerde der Ehefrau.

 

Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes an Haus

Das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. entschied zu Gunsten der Ehefrau und hob daher die Entscheidung des Amtsgerichts auf. Der Ehefrau stehe in entsprechender Anwendung des § 1361 b BGB ein Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes an dem Haus zu. Es habe kein Grund vorgelegen der Ehefrau die Mitnutzung zu verweigern. Einem Ehegatten sei als Alleineigentümer in der Trennungszeit ohne weiteres zumutbar, bei Fehlen einer unbilligen Härte die weitere Nutzung bzw. Mitbenutzung der Ehewohnung durch seinen Ehegatten hinzunehmen.

 

Aufteilung des Hauses

Das Oberlandesgericht wies der Ehefrau eines der Schlafräume zur ausschließlichen Nutzung zu. Das Bad und die Küche durfte sie nur zeitlich begrenzt nutzen, um beiden Ehegatten die erforderliche Grundversorgung zu gewährleisten.

 

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 22.09.2020
Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt a.M., ra-online (vt/rb)


August 2020

Kammergericht Berlin, Beschluss vom 15.04.2019

- 13 UF 89/16 -

 

Keine quotale Unterhaltspflicht für beide Elternteile bei Be­treuungs­verhältnis von 45 % zu 55 %

Kein Vorliegen eines echten Wechselmodells

 

Bei einem Be­treuungs­verhältnis von 45 % zu 55 % liegt kein echtes Wechselmodell vor, bei denen beide Elternteile quotal für den Kindesunterhalt aufkommen. Vielmehr ist das Elternteil mit der geringeren Betreuungszeit allein bar­unterhalts­pflichtig. Dies hat das Kammergericht Berlin entschieden.

 

In dem zugrunde liegenden Fall stritten sich die Eltern eines etwa sechsjährigen Kindes im Jahr 2014 vor dem Amtsgericht Berlin Tempelhof-Kreuzberg um Kindesunterhalt. Die Eltern teilten sich die Betreuung des Kindes. So betreute die Mutter das Kind zu etwa 55 % und der Vater zu etwa 45 %. Der Kindesvater meinte nun, dass ein echtes Wechselmodell vorliege, bei dem beide Elternteile quotal für den Unterhaltsbedarf des Kindes aufkommen müssen. Die Kindesmutter sah dies anders. Sie hielt allein den Kindesvater für barunterhaltspflichtig. Das Amtsgericht folgte der Ansicht der Kindesmutter. Dagegen richtete sich die Beschwerde des Kindesvaters.

 

Barunterhaltspflicht des Kindesvaters aufgrund Betreuungsübergewicht der Kindesmutter

Das Kammergericht Berlin bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts. Der Kindesvater sei allein barunterhaltspflichtig. Er genieße zwar einen erweiterten Umgang mit dem Kind. Von einem echten Wechselmodell könne aber nicht die Rede sein. Davon könne nur ausgegangen werden, wenn sich die Eltern mit der Betreuung des Kindes annähernd bzw. fast 50:50 abwechseln. So lag der Fall hier nicht. Es sei angesichts des Verhältnisses von 55 % zu 45 % von einem klaren Betreuungsübergewicht der Mutter auszugehen.

 

Fehlende Kommunikation der Eltern spricht ebenfalls gegen echtes Wechselmodell

Zudem sei nach Ansicht des Kammergerichts zu beachten, dass ein echtes Wechselmodell eine gewisse Basis bei der Kommunikation und Kooperation der Eltern erfordere, um organisatorische Aspekte der Kinderbetreuung wahrzunehmen. Da zwischen den Kindeseltern praktisch überhaupt keine Kommunikation stattfand, habe dies ebenfalls gegen die Annahme eine echten Wechselmodell gesprochen.

 

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 15.10.2020
Quelle: Kammergericht Berlin, ra-online (vt/rb)  


Juli 2020

Bundesfinanzhof, Urteil vom 27.11.2019

- III R 44/17 -

 

Anspruch auf Kindergeld für behindertes Kind auch nach Vollendung des 27. Lebensjahres

Behinderung muss bereits vor Erreichen der Altersgrenze vorgelegen haben

 

Für volljährige behinderte Kinder kann ein Kindergeldanspruch auch über die Altersgrenze von 27 Jahren (jetzt 25 Jahren) hinaus bestehen, wenn die Behinderung vor Erreichen der Altersgrenze eingetreten ist. Wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 27. November 2019 III R 44/17 entschieden hat, stellt ein Gendefekt aber nur dann eine solche Behinderung dar, wenn das Kind dadurch vor Erreichen der Altersgrenze in seinen körperlichen Funktionen, geistigen Fähigkeiten oder seiner seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate vom alterstypischen Zustand abweicht und dadurch in seiner Teilhabe am gesellschaftlichen Leben beeinträchtigt ist.

 

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger ist der Vater einer im August 1968 geborenen Tochter, die an einer Muskelerkrankung in Form der Myotonen Dystrophie Curschmann Steinert leidet. Trotz erster Symptome im Alter von ca. 15 Jahren, wurde die Erkrankung zunächst nicht erkannt. Die Diagnose erfolgte erst 1998. In der Folgezeit verstärkte sich die Muskelschwäche und es wurde im Jahr 2005 zunächst ein Grad der Behinderung von 50 und im Jahr 2009 von 100 festgestellt. Die Tochter absolvierte eine Berufsausbildung und befand sich bis 2010 in einem Beschäftigungsverhältnis. Ab Oktober 2011 erhielt sie eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.

 

Familienkasse lehnt Kindergeldantrag ab

Der Kläger beantragte 2014, ihm für seine Tochter ab Januar 2010 Kindergeld zu gewähren. Dies lehnte die Familienkasse unter Hinweis darauf ab, dass die Behinderung nicht vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten sei. Das Finanzgericht gab der dagegen gerichteten Klage für die Monate statt, in denen die der Tochter zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Deckung ihres notwendigen Lebensbedarfes ausreichten. Familienkasse lehnt Kindergeldantrag ab.

 

BFH hält bisherige Feststellungen des Finanzgerichts für nicht ausreichend

Dagegen hielt der BFH die Revision der Familienkasse für begründet. Da für die Tochter aufgrund einer Übergangsregelung noch nicht die ab 2000 auf das 25. Lebensjahr abgesenkte Altersgrenze gilt, setzt der Kindergeldanspruch des Klägers voraus, dass die Behinderung vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten ist. Der Behinderungsbegriff erfordert dabei eine für das Lebensalter untypische gesundheitliche Situation, die mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate andauert und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben beeinträchtigt. Nicht ausreichend ist es nach der Entscheidung des BFH dagegen, wenn vor Erreichen der Altersgrenze eine Behinderung zwar droht, aber noch nicht eingetreten ist. Der BFH hielt daher die bisherigen Feststellungen des Finanzgerichts für nicht ausreichend.

 

FG muss Vorliegen von Beeinträchtigungen vor Erreichen der Altersgrenze prüfen

Das FG war zwar auf der Grundlage des festgestellten Grades der Behinderung für die streitigen Monate ab 2011 zu Recht vom Vorliegen einer Behinderung ausgegangen. Für die Frage, ob die Behinderung bereits vor Vollendung des 27. Lebensjahres -also bis August 1995-- eingetreten ist, ließ das FG aber zu Unrecht bereits den festgestellten angeborenen Gendefekt ausreichen. Dem Finanzgericht wurde daher für den zweiten Rechtsgang aufgegeben, nähere Feststellungen dazu zu treffen, ob der Gendefekt bereits vor Erreichen der Altersgrenze zu Funktions- und Teilhabebeeinträchtigungen bei der Tochter des Klägers geführt hatte.

 

 

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 10.07.2020

Quelle: Bundesfinanzhof, ra-online (pm/ab)  


Juni 2020

 

Verwaltungsgericht Potsdam, Beschluss vom 19.06.2020

- 7 L 295/20 -

 

Feststellung von Hämatomen eines Kleinkindes nach Besuch von Kinder­tages­pflege­stelle rechtfertigt sofortige Schließung der Einrichtung

Begründeter Verdacht einer Kindes­wohl­gefährdung

 

Weist ein Kleinkind nach dem Besuch der Kinder­tages­pflege­stelle Hämatome auf, so begründet dies den Verdacht einer Kindes­wohl­gefährdung. Dies rechtfertigt die sofortige Schließung der Einrichtung. Dies hat das Verwaltungsgericht Potsdam entschieden.

In dem zugrunde liegenden Fall wurde einer Frau im März 2020 die Erlaubnis zum Betrieb einer Kindertagespflege mit sofortiger Wirkung entzogen. Hintergrund dessen war der Verdacht einer Kindesmisshandlung. Der Verdacht stützte sich auf die Angaben der Eltern eines in der Einrichtung untergebrachten einjährigen Kleinkindes. Die Eltern hatten nach dem dritten Tag des Besuches ihres Kindes in der Kindertagespflege ein kleines Hämatom hinter einem Ohr des Kindes entdeckt. In den nächsten Tagen hatte das Kind an den Beinen und Armen weitere Hämatome. Zudem weinte es beim Anblick der Einrichtung. Ein von den Eltern eingeschalteter Kinderarzt war der Ansicht, dass die Hämatome durch einen Erwachsenen verursacht wurden. Dies wurde durch einen Krankenhaus-Arzt bestätigt. Die Frau beantragte Eilrechtsschutz beim Verwaltungsgericht Potsdam. Sie wies die Vorwürfe pauschal zurück.

 

Rechtsmäßiger Widerruf der Erlaubnis zum Betrieb der Kindertagespflegestelle

Das Verwaltungsgericht Potsdam entschied gegen die Antragstellerin. Der Widerruf der Erlaubnis zum Betrieb einer Kindertagespflegestelle sei rechtmäßig. Es bestehen gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass die Hämatome des Kleinkindes in der Tagespflegestelle und jedenfalls teilweise durch die Antragstellerin zugefügt worden seien. Ihr sei eine zumindest fahrlässige Körperverletzung zur Last zu legen.

 

Gefahr des Kontrollverlustes

Eine Vielzahl von Elternbeschwerden haben belegt, so das Verwaltungsgericht, dass die Antragstellerin einen ruppigen Tonfall gegenüber den Tageskindern aufwies. Dass sich solche Umgangsformen, beispielsweise bei dem Versuch ein Kind auf dem Wickeltisch zu fixieren, in einem zu festen Zupacken fortsetzen können, liege nach lebensnaher Betrachtung nicht fern. Es bestehe die Gefahr, dass die Antragstellerin in der täglichen Betreuung potentiell wiederkehrend in Situationen des Kontrollverlustes gerate, bei denen eine Kindeswohlgefährdung nicht ausgeschlossen werden könne.

 

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 22.07.2020

Quelle: Verwaltungsgericht Potsdam, ra-online (vt/rb)  


Mai 2020

Oberlandesgericht Braunschweig, Beschluss vom 20.05.2020

- 1 UF 51/20 -

 

Umgang des Vaters mit seinem Kind kann auch wegen Corona-Pandemie nicht verweigert werden

Regelmäßiger Kontakt zum Vater dient dem Kindeswohl

 

Die Corona Pandemie führt grundsätzlich nicht dazu, dass dem nicht betreuenden Elternteil der Umgang mit seinem Kind verweigert werden kann. Dies entschied das Oberlandesgericht Braunschweig.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Vater des fast sechsjährigen Mädchens hatte beim Familiengericht in Braunschweig eine Umgangsregelung erwirkt, die Kontakte mit seiner Tochter am Wochenende mit Übernachtungen vorsah. Dagegen hatte die Mutter Beschwerde zum Oberlandesgericht eingelegt und hierfür Verfahrenskostenhilfe beantragt.

 

Umgang mit Elternteil dient Kindeswohl

Der Antrag hatte keinen Erfolg. Das OLG entschied, dass der Umgang mit dem Vater dem Kindeswohl diene. Die Mutter sei auch nicht berechtigt, die Kontakte aufgrund der Corona-Pandemie zu verweigern. Die Pandemie biete weder einen Anlass, bestehende Umgangsregeln abzuändern, noch den Umgang auszusetzen. Auch wenn der Vater und das Kind nicht in einem Haushalt leben würden, sei der Umgang nicht verboten. Der Umgang zwischen einem nicht betreuenden Elternteil und seinem Kind gehöre zu dem absolut notwendigen Minimum zwischenmenschlicher Kontakte.

 

Ausnahmen nur aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen möglich

Etwas Anderes gelte nur dann, wenn der Kontakt aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht möglich sei, etwa wegen Quarantäne, Ausgangssperre oder der nachweislichen Infektion des umgangsberechtigten Elternteils oder eines Angehörigen seines Haushalts mit Covid 19. Die Erkrankung des Kindes selbst stehe einem Umgang dagegen grundsätzlich nicht entgegen, weil auch der zum Umgang berechtigte Elternteil sein krankes Kind versorgen und pflegen könne.

 

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 05.06.2020

Quelle: Oberlandesgericht Braunschweig, ra-online (pm/ku)  


April 2020

Amtsgericht Frankenthal, Beschluss vom 25.06.2020

- 71 F 79/20 eA -

 

Entscheidung über Schulwahl für das Kind kann auf einen Elternteil übertragen werden

Bei der Schulwahl ist in erster Linie dem Kindeswohl Rechnung zu tragen

 

Das Gericht hat die Entscheidungs­befugnis gem. §§ 1628 Satz 1 BGB, 49 ff. FamFG einstweilen auf die Mutter übertragen.

Im zugrunde liegenden Fall sind die Beteiligten die Eltern eines sechsjährigen Kindes. Sie sind und waren nicht miteinander verheiratet und üben die elterliche Sorge für das Kind S. gemeinsam aus. Das Kind soll zu Beginn des Schuljahres nach den Sommerferien 2020 in die erste Klasse einer Grundschule eingeschult werden. Die Eltern sind unterschiedlicher Auffassung, was den Schultyp angeht.

 

Eltern haben unterschiedliche Schulwünsche für ihr Kind

Der Vater (Antragsteller) möchte das Kind auf einer Regelgrundschule anmelden und bevorzugt hier die Regelgrundschule, wo das Kind auch wohnt. Die Mutter möchte das Kind auf der Waldorfschule einschulen. Der Vater ist der Auffassung, dass die Waldorfschule für S. keine geeignete Schulform sei. Er hat grundsätzlich Bedenken gegen diese Schulform und meint, dass es besser für S. wäre, wenn sie gleich lernt, wie es in einer Regelschule abläuft, sich gegenüber anderen auch durchzusetzen und in Wettbewerb, um Noten zu treten. Die Mutter meint, das Konzept der Waldorfpädagogik sei für S. besonders sinnvoll. Zudem sei dort eine gute Nachmittagsbetreuung gewährleistet und S. wolle auch auf diese Schule.

 

Gericht muss Entscheidung nach Kindeswohl treffen

Gemäß § 1628 Satz 1 BGB kann das Familiengericht für den Fall, dass sich die Eltern in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten der elterlichen Sorge, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen können, auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen hier vor. Die beteiligten Kindeseltern sind Inhaber der gemeinsamen elterlichen Sorge. Sie sind derzeit nicht in der Lage, sich in einer einzelnen Angelegenheit betreffend die elterliche Sorge - hier die Schulart für die Einschulung der Tochter S. - zu einigen. Bei der Frage des Schulwechsels und der Frage, welche Schule das Kind künftig besuchen soll handelt es sich auch um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind, die zunächst nicht der Alleinentscheidungskompetenz der Antragsgegnerin gemäß § 1687 Abs. 1 Satz 2 BGB unterfällt. Maßstab für die Entscheidung, welchem der beiden Elternteile die alleinige Entscheidungsbefugnis des Schulbesuchs der Tochter übertragen wird, ist das Kindeswohl, § 1697 a BGB. Es ist in der Sache diejenige Entscheidung zu treffen, die dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

 

Gesetz ermächtigt Gerichte nur zur Herbeiführung einer Entscheidung

§ 1628 BGB ermächtigt die Gerichte unter Wahrung des Elternrechts aus Art. 6 II GG jedoch nur dazu, zur Herbeiführung einer notwendigen Entscheidung bei Uneinigkeit der Eltern einem Elternteil die Entscheidungskompetenz zu übertragen. Trifft das Gericht an Stelle dessen eine eigene Sachentscheidung, verstößt es nicht nur gegen Gesetzesrecht, sondern greift in verfassungswidriger Weise in das Recht der von der Entscheidung betroffenen Eltern aus Art. 6 II 1 GG ein. Vielmehr ist umfassend zu prüfen, welcher Elternteil am ehesten geeignet ist, eine am Kindeswohl ausgerichtete Entscheidung zu treffen und dabei auch die Vorstellungen der Eltern über die gewünschte Schule an diesem Maßstab zu messen unter Einbeziehung der Frage, welche Auswirkungen die jeweilige Schulwahl auch auf das soziale Umfeld des Kindes haben könnte.

 

AG überträgt Mutter das alleinige Entscheidungsrecht

Das Gericht hat deshalb zwischen den von den Kindeseltern vorgeschlagenen Entscheidungen für die regelungsbedürftige Angelegenheit abzuwägen, dabei die Interessen des Kindes im Einzelnen zu beachten und so festzustellen, welchem Entscheidungsvorschlag zu folgen ist. Dabei sind auch die tatsächlichen Betreuungsmöglichkeiten der Elternteile zu berücksichtigen. Vor diesem Maßstab und im Rahmen dieser Gesamtabwägung ist der Antragsgegnerin die alleinige Entscheidungsbefugnis über den Schulbesuch des Kindes zu übertragen, weil dies dem Wohl von S. am besten entspricht.

 

Waldorfpädagogik kann nicht per se als Gefahr für Kindeswohl angesehen werden

Das Gericht hat insofern ausdrücklich nicht darüber zu entscheiden, welche Schulart für S. die am besten geeignete ist, sondern welcher Elternteil in Ansehung obiger Maßstäbe am ehesten zur Entscheidung geeignet ist. Insofern hat das Gericht u. a. folgende Kriterien gewürdigt: Die Mutter ist als Hauptbezugsperson von der Entscheidung besonders betroffen und muss die Umsetzung überwiegend organisieren. Sie hat sich im Vorfeld tiefergehend mit der Frage beschäftigt als der Vater. Das soziale Umfeld des Kindes und der Schulweg sind zu berücksichtigen. Der Wille des erst sechsjährigen Kindes ist zu berücksichtigen, wenngleich diesem in aller Regel altersbedingt keine entscheidende Bedeutung zuzumessen ist. Kinder im Alter von sechs Jahren sind in der Regel nicht in der Lage die Folgen der Wahl eines bestimmten Schultyps abzusehen und eine Entscheidung hiernach auszurichten. Die Waldorfschule ist zudem eine staatlich anerkannte Ersatzschule. Die Waldorfpädagogik, der dahinterstehende Gedanke der Anthroposophen, die besondere Schulorganisation usw. sind zwar diskutabel, aber können nicht per se als Gefahr für das Wohl des Kindes angesehen werden.

 

 

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 03.07.2020

Quelle: Amtsgericht Frankenthal, ra-online (pm/ku)  


März 2020

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.03.2019

- XII ZB 544/18 -

 

BGH: Nach drei Jahren Trennungszeit ist vorzeitige Aufhebung der Zu­gewinn­gemein­schaft ohne weitere Voraussetzungen möglich

Vorliegen eines berechtigten Interesses nicht erforderlich

 

Nach Ablauf von drei Jahren Trennungszeit ist gemäß § 1385 Nr. 1 BGB die vorzeitige Aufhebung der Zu­gewinn­gemein­schaft möglich. Auf das Vorliegen eines berechtigten Interesses kommt es dabei nicht an. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden.

In dem zugrunde liegenden Fall hatte sich ein Ehepaar im Jahr 2012 voneinander getrennt. Im November 2014 wurde das Scheidungsverfahren anhängig. Im September 2017 beantragte der Ehemann beim Amtsgericht Bad Hersfeld die vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft. Das Gericht lehnte den Antrag ab. Die Beschwerde des Ehemanns vor dem Oberlandesgericht Frankfurt a.M. blieb erfolglos. Das Gericht vertrat die Ansicht, dass der Ehemann nur bei Vorliegen eines berechtigten Interesses die vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft verlangen könne. Nummer hatte der Bundesgerichtshof über den Fall zu entscheiden.

 

Berechtigtes Interesse nicht Voraussetzung für vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft

Der Bundesgerichtshof entschied, dass das Verlangen nach vorzeitiger Aufhebung der Zugewinngemeinschaft im Fall von § 1385 Nr. 1 BGB allein an die Trennung und den Ablauf einer mindestens dreijährigen Trennungszeit anknüpft. Weder der mit der Aufhebung der Zugewinngemeinschaft verbundene Wegfall des Schutzes vor Gesamtvermögensgeschäften noch die gleichzeitige Anhängigkeit einer güterrechtlichen Folgesache im Scheidungsverbund gebiete die darüber hinausgehende Darlegung eines berechtigten Interesses an der vorzeitigen Aufhebung der Zugewinngemeinschaft.

 

Schutz des Ausgleichsgläubigers durch Möglichkeit des Arrestes

Der potentielle Ausgleichsgläubiger sei nicht schutzlos gestellt, so der Bundesgerichtshof. Ihm stehe die Möglichkeit des Arrestes zur Sicherung seiner Ausgleichsforderung zur Verfügung.

 

 

 

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 23.06.2020

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)  


Februar 2020

Oberlandesgericht Koblenz, Beschluss vom 14.11.2018

- 13 UF 413/18 -

 

Übertragung des Aufent­halts­bestimmungs­rechts auf umzugswilligen Elternteil erst nachdem Kind Grundschule beendet hat

Bis zur Beendigung bleibt Umzug verhinderndes gemeinsames Aufent­halts­bestimmungs­recht bestehen

 

Möchte ein Elternteil mit einem Kind umziehen und beantragt deshalb die Übertragung des Aufent­halts­bestimmungs­rechts auf sich, so kann dies solange zurückgestellt werden, bis das Kind die Grundschule beendet hat. Bis dahin verbleibt es bei dem Umzug verhindernden gemeinsamen Aufent­halts­bestimmungs­recht. Dies hat das Oberlandesgericht Koblenz entschieden.

 

In dem zugrunde liegenden Fall stritten sich die geschiedenen Eltern eines neunjährigen Kindes im Jahr 2017 über das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Hintergrund dessen war, dass die Kindesmutter mit dem Kind zu ihrem über 200 km entfernt wohnenden neuen Lebensgefährten ziehen wollte. Das Amtsgericht Mayen übertrug das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf den Kindesvater. Die Kontinuität erfordere nach Ansicht des Gerichts im Hinblick auf das schulische und persönliche Umfeld des Kindes einen Verbleib in seinem bisherigen Wohnumfeld. Gegen diese Entscheidung richtete sich die Beschwerde der Kindesmutter.

 

Beendigung der Grundschule Voraussetzung für Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf Kindesmutter

Das Oberlandesgericht Koblenz entschied zum Teil zu Gunsten der Kindesmutter. Ihr sei zwar das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen, jedoch erst nachdem das Kind die Grundschule beendet hat. Es entspreche dem Kindeswohl, wenn das Kind die Grundschule noch in seiner gewohnten Umgebung und der ihm vertrauten Schule beendet. Denn ein Schulwechsel könne leicht zu einem vorübergehenden Notenabfall führen, bis sich das Kind an die neue Schule und seine neue Umgebung gewöhnt hat. Nach dem Ende der Grundschule stehe demgegenüber ohnehin ein Umbruch an. Aus diesem Grund müsse das Recht der Kindesmutter, mit ihrem neuen Freund zusammenziehen zu wollen, vorübergehend zurücktreten.

 

Keine Notwendigkeit der Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf Kindesvater

Eine Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Kindesvater sei nicht notwendig, so das Oberlandesgericht. Es genüge, dass es bis zum Ende der Grundschule beim gemeinsamen Aufenthaltsbestimmungsrecht verbleibt. Denn damit dürfe die Kindesmutter ohne Zustimmung des Kindesvaters nicht umziehen.

 

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 12.06.2020
Quelle: Oberlandesgericht Koblenz, ra-online (vt/rb)  


Januar 2020

Oberlandesgericht Koblenz, Beschluss vom 12.06.2019 

- 13 UF 617/18 -

 

Ehepflicht trotz Trennung: Ex-Partner muss auch nach Trennung in Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer für Zeit des Zusammenlebens einwilligen

Ehepartner sind zur Vermeidung finanzieller Lasten des anderen verpflichtet

 

Ein Ehepartner ist auch nach der Trennung dem anderen gegenüber verpflichtet, in eine von diesem für die Zeit des Zusammenlebens gewünschte Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer einzuwilligen, wenn dadurch dessen Steuerschuld verringert wird und der auf Zustimmung in Anspruch genommene Ehepartner keiner zusätzlichen steuerlichen Belastung ausgesetzt ist. Denn Ehepartner sind einander grundsätzlich verpflichtet, die finanziellen Lasten des anderen nach Möglichkeit zu vermindern, soweit dies ohne eine Verletzung eigener Interessen möglich ist. Hingegen kann ein Ehepartner nicht wegen des Scheiterns der Ehe von dem anderen den Betrag ersetzt verlangen, den er nach der im Vergleich zur getrennten Veranlagung ungünstigeren Lohnsteuerklasse V zuvor mehr gezahlt hat. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz hervor.

 

Im zugrunde liegenden Fall hatte das Familiengericht eine Verpflichtung, der gemeinsamen Veranlagung zuzustimmen zumindest für den Fall verneint, wenn dem auf Zustimmung in Anspruch genommenen Ehepartner im Gegenzug ein Ausgleichsanspruch entstünde, weil sein Einkommen durch die gemeinsame Veranlagung nach einer Lohnsteuerklasse besteuert würde, die sich im Vergleich zur Besteuerung bei getrennter Veranlagung ungünstiger auswirkt (sogenannter dolo agit-Einwand: Arglistig handelt, wer etwas verlangt, das er augenblicklich zurückgeben muss).

 

Zustimmung zur Zusammenveranlagung darf nicht von Ausgleich einer bestehen bleibenden steuerlichen Mehrbelastung abhängig gemacht werden

Dieser Argumentation ist das Oberlandesgericht Koblenz entgegengetreten. Aus dem Wesen der Ehe ergebe sich für beide Ehepartner die Verpflichtung, die finanziellen Lasten des anderen Teils nach Möglichkeit zu vermindern, soweit dies ohne eine Verletzung der eigenen Interessen möglich sei. Ein Ehepartner sei daher dem anderen gegenüber verpflichtet, in eine Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer einzuwilligen, wenn dadurch die Steuerschuld des anderen verringert werde und der auf Zustimmung in Anspruch genommene Ehepartner keiner zusätzlichen steuerlichen Belastung ausgesetzt werde. Das gelte auch bei getrennt lebenden Ehepartnern, wenn noch eine Zusammenveranlagung für die Zeit des Zusammenlebens verlangt werde. Hingegen könne ein Ehepartner grundsätzlich nicht wegen des Scheiterns der Ehe von dem anderen den Mehrbetrag ersetzt verlangen, den er zuvor nach der im Vergleich zur Besteuerung bei getrennter Veranlagung ungünstigeren Lohnsteuerklasse V mehr gezahlt hat. Denn der ehelichen Lebensgemeinschaft liege die Auffassung zugrunde, mit dem Einkommen der Ehepartner gemeinsam zu wirtschaften und finanzielle Mehrbelastungen auszugleichen. Es bedürfe deshalb einer besonderen Vereinbarung, wenn sich ein Ehepartner die Rückforderung der mit der Wahl der Steuerklasse V verbundenen steuerlichen Mehrbelastung für den Fall der Trennung vorbehalten will. Eine solche Vereinbarung sei in dem entschiedenen Fall nicht ersichtlich gewesen.

Deshalb habe die Zustimmung zur Zusammenveranlagung nicht von einem Ausgleich der im Falle der gemeinsamen Veranlagung bestehen bleibenden steuerlichen Mehrbelastung abhängig gemacht werden können.

 

Quelle: kostenlose-urteile.de

 

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